Irren-Offensive Nr. 5

Zum Frauenbild in der Irren-Offensive

Nach dem Erscheinen der Irren- Offensive Nr. 4 waren alle erleichtert. Endlich hatten wir mal wieder was zu Papier gebracht. Aber was heißt hier "wir". Die Redaktion war männlich. Und so seufzten die wenigen Frauen der 1.0 beim ersten Durchblättern der fertigen Zei-tung. Wie schade! Die Herren aus unseren Reihen, zumindestens die der Redaktion, sind, was ihr Frauenbild betrifft, noch ganz gesellschaftskonform. Was sich sonst gut verstecken läßt, wird durch die Auswahl ein-facher Abbildungen unverkennbar: Eine mit Spitzenunterrock und Socken bekleidete junge Frau senkt den Blick und schaut zur Seite, ihr Gesicht verbergend. Sie zeigt, ihre Beine spreizend auf Fußspitzen, dezent ihre Mitte, das leichte Hemd mit zierlichen Hän-den lüftend. Ein anderes Bild- eine andere Variante: Nicht das Mäuschen zum Verna-schen, nein, die Männerhasserin!: Auch nackt, bekleidet nur mit langen Strümpfen, eine Frau, verkrampft bis auf die Knochen, die Rippen wie ein Panzer, der Hals sehnig, der linke Arm hinter den Rücken gepreßt! Auch ihr Gesicht ist kaum erkennbar von der Seite. Dafür aber ihr magerer Körper, hart und schwer bewaffnet mit dem Messer als Penisersatz.

Haben "unsere" Herren nichts anderes im Kopf: Die sich ihnen zur Verfügung stellende Frau oder die sie bekämpfende "Emanze". Unsere leidgeprüften Männer, die Frauen als Leidensgenossinnen in der Psychiatrie und jetzt in der Offensive miterleben und sehen können. Ist ihnen noch kein Licht aufgegan-gen, daß wir Frauen im Grunde anders sind: Mitfühlend unser Leben gestaltend, um einen Weg bemüht, der uns zusammenführt, nicht als Objekt und nicht als Soldat, sondern als weibliches Subjekt, daß andere Subjekte sucht, zur gemeinsamen Entwicklung des Lebens.

Psychiatrisierung aufgrund sexueller Gewalterfahrung

Sexuelle Gewatt in der Mädchenzeit kann zu Überlebensstrategien/ Bewältigungskrisen bei dem betroffenen Mädchen, der betrof fenen FrauLesbe führen, die zu einer Einwei sung in die Psychiatrie führen. Neuere Untersuchungen zeigen, daß 80 Prozent aller Frauen, die in der Psychiatrie landen, sexu ellen Mißbrauch in ihrer Mädchenzeit erleiden mußten (taz 6.6.90). Die Psychiatrisierung ist als Folge der sexuellen Gewalt zu sehen.

Dieser Tatsache wird in den Psychiatrien je doch noch in keiner Weise Rechnung getra gen. Die größtenteils übliche medikamentöse Behandlung und ansonsten ledigliche Auf-bewahrung der FrauenLesben in einer Zeit der Krise stellt für viele sexuell mißbrauchte FrauenLesben eine Wiederholung der Miß-brauchssituation dar: Wieder wird etwas ge-gen ihren Willen mit ihnen gemacht, werden sie zu "Behandlungs"- Objekten degradiert (Zwangseinweisung, "freiwillige" Einweisung unter Zwang, Psychopharmakazwang, "Begutachtung" durch größtenteils männliche Ärzte, Vorgeführtwerden in Vorlesungen für Studentinnen etc.), wieder werden ihre Signale nicht beachtet, wieder wird ihnen nicht geglaubt, wieder werden sie zum Schweigen gebracht (diesmal mit Psychopharmaka). Hinzu kommt die diagnostische Abstempe-lung. Statt Ursachen (die sexuelle Gewalt) zu benennen, den Tätern die Schuld zu geben, wird wieder die Fraulesbe für verrückt erklärt. Auch das kennt sie aus ihrer Mädchenzeit, wenn auf ihre Signale, Hilferufe lediglich Ant-worten kamen wie "du spinnst, du bist ver-rückt". Statt den Gewaltzirkel zu durchbre-chen, findet in den Psychiatrien meistens eine Fortführung der Gewalt statt.

Sexuelle Gewatt an Mädchen, FrauenLesben und die "normale" Gewalt in den Psychiatrien sind gesellschaftlich bedingt und legitimiert, sie sind Ausdruck patriachaler Macht und Unterdrückung von Mädchen, FrauenLesben aufgrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit.

Eine Alternative zur Psychiatrieeinweisung von sexuell mißbrauchten Mädchen, Frauen-lesben in Krisen gibt es noch nicht. Ein femi-nistisches Krisenzentrum, in denen sexuell mißbrauchte Mädchen, FrauenLesben partei-liche Unterstützung, Beratung, Betreuung und die Möglichkeit/ den Freiraum, ihre Wut, Trauer, Verzweiflung auszuleben, erhalten können, ist dringend notwendig.

Immer mehr psychiatrisierte und ehemals psychiatrisierte FrauenLesben wenden sich um Hilfe, Unterstützung, Beratung an Wildwasser Darmstadt e.V.. Doch wir können sie momentan bei unserer vollkommen unzu-reichenden finanziellen und damrt personel-len Lage nicht unterstützen.

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