Irren-Offensive Nr. 5

Die Irren-Offensive Ruhrgebiet - ein Rückblick auf die ersten sieben Monate

Am 10. Juli 91 trafen sich sieben Menschen, um nach dem Vorbild der Berliner Irren-Offensive eine ähnliche Organisation für das Ruhrgebiet zu gründen. Seitdem sind sieben Monate vergangen, Zeit für eine erste Bilanz.

Die Vorgeschichte unserer Gruppe beginnt mit meinen Besuchen der Berliner I.0. Ich hatte in Tina Stöckles Buch über die Sichtweise der Psychiatrie, die einige Menschen in Berlin haben, gelesen und wollte mich einmal mit diesen Leuten unterhalten. Ich hinterließ meine Adresse für andere Interessierte aus dem Ruhrgebiet. Danach tat sich erstmal lange Zeit nichts bei mir.

Vor 18 Monaten wurde ich fast 13 Jahre nach meinem letzten Psychiatrieaufenthaft noch einmal zwangseingewiesen. Daraufhin beschäftigte ich mich wieder intensiver mit dem Gedanken, daß auch hier eine solche Gruppe nicht schaden kann.

Als dann einige Leute des Weglaufhausprojekts auf dem Wochentag in Essen einen Stand machten, habe ich mich dazugestellt und Zettel verteilt, da(3 ich andere Leute suche, die so etwas 9ründen möchten. Eine Ankündigung noch in der Bochumer Presse und dann das bange Warten am besagten Mittwochabend.

An diesem Mittwoch waren wir fünf Männer und zwei Frauen, wobei noch unklar war, wie wir uns gegenüber der Teilnahme von Nichtbetroffenen an unserer Gruppe verhaften wollten. Im Lauf der ersten beiden Monate entwickelte sich die Diskussion auch durch die Beschäftigung mit den Heften der Berliner I.O. in die Richtung, nur Menschen mit einem Aufenthalt in der Psychiatrie bei uns mitmachen zu lassen. Bisher haben wir zwei Ausnahmen von dieser Regel gemacht, weil in beiden Fällen eine akute oder mögliche Bedrohung durch die Psychiatrie gegeben war, ob wir weitere Ausnahmen machen werden, ist im Einzelfall zu klären. Die bisherigen Ausnahmen waren eher entmutigend.

Außer den zweimal im Monat stattfindenden Treffen haben wir reihum Kaffeetrinken veranstaltet, was anfänglich gut lief, aber Ende November aus unterschiedlichen Gründen abschlaffte und momentan eingeschlafen ist. Es gibt eine Telefonliste der I.O.- Mitglieder, um auch Kontakt außerhalb der Treffen zu ermöglichen. Die Aufnahme auf diese Liste ist selbstverständlich freiwillig, wie alles bei uns.

An Öffentlichkeitsarbeit haben wir bisher nicht viel auf die Beine gestellt. Vor jeder Plenumssitzung haben wir in einer der um Bochum liegenden Ruhrgebietsstädte in den Zeitungen auf unsere Gruppe hingewiesen. Das war nicht ganz einfach, weil die Lokalredaktionen in der Regel nur Veranstaltungen am Ort ankündigen. Ein Kurzinterview Im Lokalradio Herne sowie eine längere Sendung im Lokalradio Essen war alles im Bereich der Nicht- Printmedien.

Erfreulicherweise druckte auch die von Betroffenen gestaltete Zeitung "Irrlichter" des Patientenklubs 'Nachbarn e.V.' unsere Ankündigung ab. Konsequenz war die Einsammlung der in der Psychiatrie ausliegenden Hefte dieser Nummer sowie das Verbot, den Namen "Nachbarn e.V." weiterhin aufs Cover der "Irrlichter" zu schreiben.

Der Umgang mit den Psychiatrie- Aufenthalten oder dem Ausrasten von Gruppenmitgliedern erwies sich als erstaunlich einfach, da diese sich in diesen kritischen Momenten von der Gruppe zurückzogen und auch auf Kontakte von Seiten der Gruppe zurückhaltend bis abweisend reagierten. Leider ist dies auch ein Zeichen für unseren mangelnden Zusammenhalt und daß wir in kritischen Situationen doch unseren alten Bezugspersonen mehr Vertrauen schenken als der I.O.

Auch der Umgang mit Konflikten in der I.O. Ruhrgebiet ist noch nicht so, wie viele von uns sich das wünschen. Einerseits möchten wir, daß jede/r bei uns so sein kann, wie sie/er ist, andererseits schließen sich die Wunsche verschiedener Personen manchmal aus.

Der letzte Konflikt zwischen zwei Menschen führte leider dazu, daß viele von uns erst mal das Plenum mieden. Die Diskussion über diese Konflikte bei uns geht in die Richtung, zur Not jemand für den betreffenden Abend zu bitten, das Plenum zu verlassen. Außerdem wollen wir einen großen Teil unserer Arbeit in Kleingruppen verlagern, wo dann nur Menschen unter sich sind, die miteinander können.

Diese Lösung ist sicher nicht ideal, für die Aufbauphase haben wir aber keine Lust, das Bestehen der I.O. durch Einzelne gefährden zulassen.

Der harte Kern der I.O. Ruhrgebiet besteht übrigens nur aus vier bis fünf Leuten, darum gruppieren sich nochmal fünf bis zehn Menschen.

In der Hoffnung einen kleinen Einblick in unsere Gruppe und deren Entwicklung gegeben zu haben.

home
HOME
Impressum