P R E S S E E R K L Ä R U N G

des Landesverbands Psychiatrie-Erfahrener Berlin-Brandenburg

>Zum 50ten Jahrestag der UN Menschenrechtserklärung am 10.12.1998:

Über 1000 Personen haben durch ihre Unterschrift das Urteil des Foucault Tribunal als Erstunterzeichner unterstützt.

Dies ist der Auftakt zur ersten, laufend veröffentlichten, weltweiten Unterschriftensammlung via Internet.

Auf dem Foucault-Tribunal vom 30.4.-3.5.´98 in Berlin verurteilt eine internationale Jury psychiatrische Zwangsbehandlungen als Verstoß gegen die Menschenrechte und regte eine entsprechende internationale Menschrechts-Initiative an. Unter den Unterzeichnern befindet sich der Gründer der sog. Soteria, Prof. Loren Mosher, der damit seine Unterstützung für ein Urteil dokumentiert hat, das von der Verteidigung aus der Sozial-Psychiatrie weiterhin abgelehnt wird.

Das Urteil und die Unterschriftensammlung:

http://www.foucault.de

 



Berlin - Wittenau, 9.12.´98
Seit heute morgen 4.20 Uhr heißt die frühere Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik

 

Lady-Diana-Clinic,

>gibt der Landesverband Psychiatrie-Erfahrener Berlin-Brandenburg bekannt.
Anläßlich des 50. Jahrestages der Erklärung der Menschenrechte wurde die Namensänderung vorgenommen. Mit der Umbenennung erhofft sich der Landesverband auch eine Änderung der dort in Zukunft praktizierten Behandlungsmethoden. Insbesondere sollen in der Lady-Diana-Clinic psychiatrische Zwangseinweisung und Zwangsbehandlung als grobe Mißachtung der Menschenrechte der Vergangenheit angehören.

Die Umbenennung war vom feierlichen Auswechseln des Namenschildes begleitet:

Foto bei Nacht während der Umbennung

>

Foto bei Tag mit dem endgültigen Schild

Mit großer Zustimmung haben wir das Verschwinden der Büste von Karl Bonhoeffer im Park der Klinik registriert:

„Der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales ist bekannt, daß Prof. Dr. Karl Bonhoeffer in der Zeit des Nationalsozialismus Gutachten für den Erbgesundheitsgerichtshof erstellt hat. Darüber hinaus war er selbst Richter am Erbgesundheitsobergericht in Berlin".

Karl Bonhoeffer hat als Richter und Gutachter an mindestens 55 Sterilisationsverfahren verantwortlich mitgewirkt, die zumindest zu 26 zwangsweise durchgeführten Verstümmelungen geführt haben. (siehe Antwort auf die Kleine Anfrage Nr. 13/3883 weiter unten).

Karl Bonhoeffer hat unter dem Vorwand der Wissenschaft gehandelt. Jedoch zeigt das folgende Beispiel, daß ganz andere Motive im Vordergrund standen:

„Selbst nach dem er sich 1938 von seinem hochangesehenen Lehrstuhl in der Berliner Psychiatrie zur Ruhe gesetzt hatte widersprach beispielsweise der respektierte Karl Bonhöffer der Wiederverheiratung einer Frau, deren „Schizophrenie" er als erblich klassifiziert hatte, obwohl sie sechs Jahre zuvor sterilisiert worden war."

(aus „The origins of NAZI Genocide, from Euthanasia to the Final Solution, von Henry Friedlander Seite 125, übersetzt erschienen im Berlin Verlag) Erst verstümmelt, wird der Frau jetzt - obgleich nicht mehr fortpflanzungsfähig - auch noch die Gemeinschaft, Anerkennung und die Lust einer Ehe verboten. Warum?

Für die Zwangs-Psychiatrie auf Erbhygienischer Grundlage war der alte Name der Klinik sicherlich angemessen. Nun ist es aber an der Zeit, den Namen wie auch diese "Behandlungs"methoden endlich abzuschaffen, da die Verbrechen der Zwangssterilisationen dieses Jahr nun endlich als nationalsozialistisches Unrecht vom Bundestag anerkannt wurden.
Obwohl diese Tatsachen in der Karl Bonhoeffer Klinik - damit dem Senat von Berlin - seit Jahren bekannt sind, wurde an dem ehrenden Gedenken eines menschenverachtenden NS-Unrechts Arztes festgehalten.

Die Senatsverwaltung sieht sich nicht in der Lage, „die Rolle Karl Bonhoefers als Arzt und Gutachter in der Zeit des Nationalsozialismus " abschließend zu bewerten ..."
Im Gegensatz zu der Senatsverwaltung sehen wir uns sehr wohl in der Lage, die einer verehrenden Namensgebung zugrundeliegende Bewertung vorzunehmen. Sie darf keinesfalls der Wissenschaft überlassen werden, die sich gerade durch die "Erbhygiene" mit systematischem Massenmord und mörderischen Menschenversuchen disqualifiziert hat.

Der Gegensatz ist eindeutig:
bisher eine heuchlerische „Gedenk"plakette an der Außenseite der Anstaltsmauer, die auch noch zynisch benennt: „die Täter sind bekannt", Karl Bonhoeffer aber weiter als Namensgeber der Klinik ehrt und dem medizinischen Personal auf dem Gelände ein ehrendes Gedenken mit Kranz und Denkmal "Dem Gedenken unserer in den Kriegen gefallenen Kollegen" entgegenbringt:

>Statt dessen soll mit dem neuen Namen die Befreiung von den Mordtaten dieser Ärzteschaft durch die königliche Armee der Engländer gewürdigt werden.
Vor allem bietet Lady Diana ein Beispiel, wie auch mehrere Selbsttötungsversuche und extreme Abmagerungskuren ohne psychiatrische Stigmatisierung und menschenverachtenden Zwang bewältigt werden können.

Wir fordern die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) auf, umgehend die U- und S-Bahnstation Karl Bonhoeffer Nervenklinik ebenfalls in Lady-Diana-Clinic umzubenennen:


Schon am 2. Oktober wurde am Ort der Schreckensherrschaft von Karl Bonhoeffer, einer Berliner Zwangspsychiatrie, das ehrende Gedanken an ihn durch die Beseitigung seines Photos aus der "Ahnengalerie" und die Umbenennung des Karl-Bonhoeffer-Raums in Gert-Postel-Raum vollzogen.

Fotos: Copyright Günther Martin

>Gert Postel hat trotz seiner einfachen Ausbildung zum Postbeamten in seiner Zeit als Flensburger Amtsarzt bewiesen, daß eine Reduktion der Zwangseinweisungen um 86% möglich ist, ja daß die entschuldigend gemeinte Erklärung "er habe niemandem durch seine Hochstapelei geschadet" den wirklichen Schaden durch die Zwangseinweisungen verdeckt, die bei einem "normalen" Amtsarzt der Fall gewesen wären (Spiegel Nr.29/1997 s. 34). Darüber hinaus hat Herr Postel 1993 die wunderbarste Spontanheilung bewiesen, als er sich aus seiner Rolle als Patient dieser Psychiatrie heraus beim Berufsförderungswerk als Oberarzt für Psychiatrie mit Einstellungsdatum 1.2.1994 bewerben konnte (Berliner Morgenpost, 14.5.´98)! Er hat wiederholt den Beweis angetreten, daß die beste Ausbildung zum psychiatrischen Facharzt eine Lehre bei der Post ist, was völlig neue Ausbildungsperspektiven und eine Entlastung der Universitätsbudgets erlauben würde.
Wir freuen uns, daß sich die Leitung dieser Psychiatrie zu einer dekorativen Form der Bezeichung des Gert Postel Raumes entschlossen hat:

 


Folgendes Dokument gerne zum Abdruck und unentgeltlichen Verwendung freigegeben:



Kleine Anfrage Nr. 13/3883
des abgeordneten Dietmar Volk (Bündnis 90/Die Grünen)
über Karl Bonhoeffer und seine Gutachten im Nationalsozialismus

Ich frage den Senat:

1. Ist dem Senat bekannt, daß Karl Bonhoeffer in der Zeit des Nationalsozialismus Gutachten für den Erbgesundheitsgerichtshof erstellt hat, die zur Zwangssterilisation "Erbkranker" und zur Freigabe der Vernichtung "lebensunwerten Lebens" führten?

2. Welche Kenntnisse liegen dem Senat über die Rolle Karl Bonhoeffers als Arzt und Gutachter in der Zeit des Nationalsozialismus vor, und wie bewertet er diese?

3. Warum wurde die städtische Reinickendorfer Nervenklinik (ehemalige Wittenauer Heilstätten) nach Karl Bonhoeffer benannt?

Berlin, den 1. Juli 1998


Antwort (Schlußbericht) auf die kleine Anfrage Nr. 3883
Im Namen des Senats von Berlin
beantworten wir Ihre Kleine Anfrage wie folgt:


Zu 1.:
Der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales ist bekannt, daß Prof. Dr. Karl Bonhoeffer in der Zeit des Nationalsozialismus Gutachten für den Erbgesundheitsgerichtshof erstellt hat. Darüber hinaus war er selbst Richter am Erbgesundheitsobergericht in Berlin.

Ob die erstellten Gutachten tatsächlich zur Zwangssterilisation "Erbkranker" und zur Freigabe der Vernichtung "lebensunwerten Lebens" führten, ist dem Senat nicht bekannt.

Zu 2.:
Aus vorhandenen Unterlagen ist, ersichtlich, daß sich bereits 1923 Bonhoeffer in einem Gutachten zur Problematik der Sterilisationsgesetzgebung geäußert hat. Neben einer kritischen Bewertung der Vermischung von eugenischen, kriminalistischen und ärztlichen Fragestellungen stimmte er einer Sterilisation gegen den Willen eines Betroffenen unterbestimmten Voraussetzungen zu. Für den Eingriff des Staates sei zunächst der Nachweis erforderlich gewesen, "daß die Gefahr einer Schädigung des Volkskörpers durch die Fortpflanzung dieser Individuen tatsächlich besteht."

Bonhoeffer war auch nach seiner Emeritierung 1938 als Gutachter zu zahlreichen Fragestellungen tätig. In dem Archiv der heutigen Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik befinden sich neben Gutachten zu anderen Fragestellungen ca. 55 Gutachten zur Zwangssterilisation. Unter anderem erhielt Karl Bonboeffer auch Aufträge zur Frage, ob jemand an einer Krankheit im Sinne des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses litt. Wie viele Gutachten er zu dieser speziellen Fragestellung verfaßt hat, ist der Senatsgesundheitsverwaltung nicht bekannt, da es wahrscheinlich mehrere Standorte dieser Unterlagen gibt. In den bekannten Gutachten kam er zu unterschiedlichen Ergebnissen.

In rd. 50 % dieser Gutachten stellte er das Vorliegen einer Erbkrankheit im Sinne des Gesetzes fest. Diesen gutachterlichen Äußerungen folgte das Erbgesundheitsgericht in der Regel, und die Unfruchtbarmachung wurde angeordnet. In anderen Fällen jedoch stellte Bonhoeffer fest, daß die Diagnose nicht ausreichend gesichert war bzw. schloß er das Vorliegen einer Erkrankung im Sinne des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses aus. In derartigen Fällen folgte das Erbgesundheitsgericht dem Gutachter und lehnte die Unfruchtbarmachung zu diesem Zeitpunkt bzw. grundsätzlich ab.

Der Senatsgesundheitsverwaltung ist bekannt, daß sowohl im Krankenhaus Reinickendorf - örtlicher Bereich Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik - als auch im Institut für Geschichte der Medizin und im Landesarchiv Krankengeschichten und Gutachten vorhanden sind, die mit Bonhoeffer in Verbindung - gebracht werden. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, daß die Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik bereits 1984 damit begonnen hat, die Geschichte der ehemaligen Wittenauer Heilstätten und ihre Rolle sowie die ihrer Mitarbeiter - insbesondere während der Zeit des Nationalsozialismus - zu recherchieren und zu dokumentieren. Ergebnisse dieser Recherchen sind veröffentlicht in dem Buch "Totgeschwiegen 1933 bis 1945 - Zur Geschichte der Wittenauer Heilstätten - seit 1957 Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik". Dieses Buch enthält auch Aufzeichnungen von Gesprächen und Schriftwechsel, der mit den Angehörigen von Karl Bonhoeffer geführt wurde. Im Verwaltungsgebäude der Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik zeigt eine ständige Ausstellung Bilder und Dokumente, die im Verlaufe der Arbeiten an der Dokumentation "Totgeschwiegen" zusammengetragen wurden.

Nach Kenntnis der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales ist die Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik eine von wenigen - früher großen - Nervenkliniken, die versucht haben, ihre Rolle während der Zeit des Nationalsozialismus aufzuarbeiten.

Die Senatsgesundheitsverwaltung sieht sich derzeit nicht in der Lage, "die Rolle Karl Bonhoeffers als Arzt und Gutachter in der Zeit des Nationalsozialismus" abschließend zu bewerten, da derart komplexe Zusammenhänge grundsätzlich nur einer wissenschaftlichen Wertung unterzogen werden sollten; es gibt Bestrebungen unterschiedlicher Institute, eine derartige Bewertung vorzunehmen.

Zu 3.:
In der Geschichte der Reinickendorfer Nervenklinik hat es mehrere Namenswechsel gegeben. Der ursprüngliche Name der Anstalt wurde von der Bevölkerung im Laufe der Zeit mit einem gewissen Unterton genannt und bedeutete häufig eine soziale Diffamierung, für die Kranken, die in der Anstalt behandelt wurden. Das galt damals sowohl für den ersten Namen "Irren- und Idiotenanstalt Dalldorf" als auch für den späteren Namen "Wittenauer Heilstätten".

Diese "Heilstätten" wurden am 30. März 1957 in Anwesenheit von Vertretern des Senats, des Bezirksamtes Reinickendorf und zahlreichen anderen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sowie von Angehörigen der Familie Bonhoeffer in "Karl-Bonhoeffer-Heilstätten" umbenannt.

Als Grundlage diente die Anerkennung seiner ärztlichen Tätigkeit und seiner wissenschaftlichen Leistungen.

Berlin, den 31. August 1998


Beate Hübner

Senatorin für Gesundheit und Soziales

 


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