Die Irren-Offensive Nr.8 - 4/99

Das Werner-Fuß-Zentrum plant einen regelmäßigen Nachtbetrieb.
Ab 15. Mai soll es jede Nacht von 19.00 -7.00 Uhr für (Telefon) Gespräche, Beratung und (nach Absprache) auf einen Tee offen sein. Wir suchen noch weitere zur Nachtwache Bereite. Wozu das Ganze?



Gerade nachts


Gerade nachts gibt es Situationen, in denen das Netz reißt. Zweimal ist es mir bisher passiert.

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>Ich war da in dieser anspruchsvollen, fast medikamentenlosen, für "Psychotiker" verbotenen Klinik in Grunewald und fühlte mich völlig fehl am Platze. Seit mehreren Tagen konnte ich nicht mehr schlafen und zitterte ständig vor Angst - ein Witz, bei diesem Zustand Psychotherapie und autogenes Training zu verordnen. In der nächsten Nacht hielt ich es nicht mehr aus und packte meine Sachen, um die Klinik zu verlassen. Doch wohin? Am Nachmittag vorher hatte ich schon verschiedene Möglichkeiten durchgespielt, die Eltern schieden aus, und viele Freunde hatte ich eigentlich nicht, das merkt man in solchen Situationen. Nachts um zwei rief ich dann - obwohl es streng verboten war, um diese Zeit zu telefonieren - einen Freund meiner Eltern an, zu dem ich Vertrauen hatte, und teilte ihm mein Kommen mit. Not macht unverschämt. Inzwischen hatte die Nachtwache den diensthabenden Arzt geweckt, und der versuchte, mich zum Bleiben wenigstens bis morgen früh und zu einer "ordentlichen Entlassung" zu überreden. Doch ich hatte meine ganze Hoffnung darein gesetzt, aus dieser Klinik herauszukommen.

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>Zwei Jahre später. Wieder lag ich im Bett und konnte nicht schlafen, diesmal bei Freunden, die mich nett aufgenommen hatten, aber völlig ahnungslos waren. MeinHerz klopfte wie vorm Sprung vom Zehnmeterbrett nun-
mehr seit fünf Tagen. Auch das Bier, das ich als absoluter Bier-Feind getrunken hatte, um ruhiger zu werden, nützte natürlich nichts. Es stank nur ganz übel. Nun war wohl die Zeit da, die meine ambulante Psychiaterin gemeint hatte, als sie mir die Nummer der Krisenstation im Urban-Krankenhaus gab: "Da können Sie jederzeit hingehen, auch nachts und am Wochenende, wenn es Ihnen mal ganz schlecht geht." Es war nachts, halb vier Uhr, und es war Wochenende, Sonntag zu Montag- also los. Eine unfreundliche und kurz angebundene Person war am Apparat. Ich schilderte meine Leiden kurz, länger schien man mir auch gar nicht zuhören zu wollen , dann fragte ich, ob ich gleich kommen könnte, ich hielte es zu Hause nicht mehr aus. "Nein, nein," hieß es, "wir sind voll," - kein Hinweis, wohin man sich noch wenden könnte -"gehen Sie mal morgen zu Ihrer Ärztin, die wird Ihnen dann schon sagen, wie es weitergeht." Am nächsten Tag um diese Zeit hatte ich keine Schlafschwierigkeiten mehr - auf der Intensivstation bemühte man sich, mich nach dreißig Noctamid und Mogadan wieder wachzukriegen. Meine Ärztin, die ich tatsächlich aufsuchte, war im Urlaub gewesen, und der Vertreter versuchte mich damit zu beruhigen, dass es bei mir "in der Familie läge".
Inzwischen weiß ich, was man sagen muss, um in einer psychiatrischen Klinik sofort aufgenommen zu werden - vorausgesetzt, dass man das will. Auf jeden Fall sollte man wissen, wohin. Von Freunden und Familie kommen meist nur Sprüche wie: "Das ist doch kein Weltuntergang" oder "Nun mach dich mal nicht verrückt."

Angelika Willig


Und was macht das KuB?

>Da ist es A., der formal freiwillig in der Klapse war, den die Ärzte aber auf der Geschlossenen wegsperren, gelungen, abzuhauen. Ohne Geld und auf plötzlichem Neuroleptikaentzug wendet er sich an das WFZ, er braucht ein Rezept für Pillen und einen Arzt, der ihm die offenkundige Tatsache bestätigt daß er weder Selbst- noch Fremdgefährung "begeht", weil die Ärzte schon gedroht hatten ihn mit einer Zwangseinweisung zu erpressen. Nun hat doch das KuB (Krisen und Bratungszentrum) groß damit geworben, daß sie einen ärztlichen Hintergrund Dienst hätten, also geht der gesamte Vorstand der Irren-Offensive mit A. dort hin, um deren "Krisenberatung" einzuholen. Und was können sie anbieten? Ihren Hintergrund-Arzt anrufen der anbietet, A. in der Psychiatrie aufzugeben!
Da kann man nur eines schlußfolgern: Beim KuB steht die Zuweisung in das Psychiatrische System im Vorder- statt Hintergrund! Zum Glück hat A. einen Weg gefunden, ohne auf solche "Profi"-Hilfe angewiesen zu sein.

 

Von uns sitzen einige in der psychiatrie bzw. forensik. Es ist wünschenswert, daß sie von menschen draußen besucht werden, zuspruch erhalten wie infos. Wer hat zeit, lust, ist stabil genug, menschen in der Urban-, in der Neuköllner -, lady DI (früher KBOn)-klinik zu besuchen? (F.J.R.)
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